Berge, Ebenen und Wälder, Karibisches Meer und Pazifischer Ozean: Kolumbien ist ein Land voller Kontraste. Fernab vom Stigma der Unsicherheit, das ihm anhaftet, machen präkolumbianische Ruinen, Kaffeeplantagen und Kolonialstädte die Entdeckungsreise durch dieses vielfältige, gastfreundliche Land zum Erlebnis.
Eine Reise durch Kolumbien? Nein, mehrere! Wie sonst sollte man der enormen geografischen und kulturellen Vielfalt dieses Landes gerecht werden? Ganz klar: Kolumbien lässt sich nicht an einem Tag entdecken. Im Südosten ist der Amazonas ein Reiseziel für sich. Die weiten Ebenen der Llanos sind ein „Wilder Osten“, der die Herzen aller Abenteurer höherschlagen lässt. Auf einer Reise die Karibik und den Pazifischen Ozean sehen? Möglich, aber kompliziert. Wer sich jedoch mindestens zwei Wochen Zeit nimmt, kann die Highlights dieser Destination kennenlernen, die sich auf einer Nord-Süd-Achse an die drei Kordilleren des Landes anschmiegen. Vom Departamento del Cauca im Süden bis nach Cartagena am Karibischen Meer vereinen die Hänge der West-, Zentral- und Ostkordillere und die Täler, die sie trennen, nicht nur den Großteil der Bevölkerung, sondern auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Berge, Flüsse (der Río Magdalena und der Río Cauca), Wüsten, Wälder, Kaffeeplantagen, präkolumbianische Ruinen, Kolonialstädte … Das Land gewährt Reisenden auf diesem breiten Streifen einen intimen Blick hinter die Kulissen.

Geheimnisvolle Steinskulpturen in San Agustín
Los geht es im Süden. Dort, wo sich die Überreste der präkolumbianischen Zivilisationen befinden. Der archäologische Park San Agustín im Departamento del Huila ist Teil des Weltkulturerbes der UNESCO und beherbergt auf einer Fläche von fast 80 Hektar Grabskulpturen, die halb Mensch, halb Tier sind. Die ältesten stammen aus der Zeit um 3000 v. Chr., die jüngsten wurden einige Jahre vor der Ankunft der Spanier errichtet. In San Agustín zeigt sich Kolumbien auch von seiner theatralischen Seite. In dieser kleinen Stadt in 1700 Metern Höhe kommen die Menschen abends wie zu einem bunten, lauten Ballett in den schachbrettartigen Straßen zusammen, die von Geschäften und farbenfrohen Wohnhäusern gesäumt sind. Ponchos, Motorräder mit drei Passagieren, Chivas (lokale Busse) mit brummenden Motoren … Der Charme von San Agustín ist allgegenwärtig. Die umliegende Natur kann sich ebenfalls sehen lassen. So zum Beispiel auf der Finca La Cabaña von Luis Alejandro, einer Kaffeeplantage. Seit über einem halben Jahrhundert baut die Familie an feuchten Hängen die Arabica-Kaffeesorten Geisha, Bourbon und Catura an. Die roten Beeren aus biologischem Anbau werden noch immer von Hand gepflückt. Und dann ist da auch noch die wilde, ungezähmte Natur: die Kandelaberkakteen in der Tatacoa-Wüste, der Río Magdalena mit seiner tiefgrünen Umgebung und die unendlichen Weiten der Kordilleren mit ihren kunterbunten Kolibris.

Popayán, die weiße Stadt
Fünf Stunden mit dem Bus dauert es von San Agustín nach Popayán. Eine unerbittliche Reise über schlechte Straßen, die jedoch einige Highlights bietet. So zum Beispiel die Überquerung des Río Mazamorras in über 3000 Metern Höhe. Auf beiden Seiten des tiefen Canyons lauert der dichte, geheimnisvolle Wald, in dem Tapire und Brillenbären leben. Etwas weiter thront der kahle Kamm des Vulkans Puracé über einer Heide voller Frailejon, einer dickblättrigen Hochlandpflanze. Am Ende dieser langen Reise ist die Freude über die Ankunft in Popayán groß. Die Hauptstadt des Departamento del Cauca ist ein perfektes koloniales Rechteck. Ihre makellos weißen Häuser haben ihr den Beinamen „weiße Stadt“ eingebracht. Die Stadt ist religiös und konservativ. Hier wimmelt es geradezu von Kirchen und ehemaligen Klöstern, von denen einige heute Universitäten beherbergen. Popayán ist eine der größten Studentenstädte des Landes.Auf der Reise gen Norden ist ein Zwischenstopp in Cali, der Welthauptstadt des Salsa, angesagt. Und auch ein Halt in Bogotá darf nicht fehlen. In 2600 Metern Höhe erstreckt sich die Hauptstadt weit über den Cerro de Monserrate hinaus. Die dortige Kirche und die Panoramaterrassen ziehen sonntagsmorgens stets zahlreiche Rolos (Einwohner Bogotás) an, die diesen frommen Hügel mit der Standseilbahn erklimmen. Zwei Tage in dieser Megametropole lassen ausreichend Zeit, um sich in La Candelaria, dem Szene- und Streetart-Viertel der Stadt, umzusehen. Auf dem Markt von Paloquemao gibt es zudem eine große Auswahl von lokalen Produkten zu entdecken. Ebenso bietet sich ein Besuch in den Museen Museo del Oro (Goldmuseum) und Museo Botero an.

Medellín und der ewige Frühling
Im weiteren Verlauf der Strecke lädt Medellín für eine oder zwei Nächte zum Verweilen ein. Diese Stadt ist nicht nur als Heimat des berüchtigten Drogenbarons Pablo Escobar bekannt, sondern trägt dank des angenehmen Klimas der Zentralkordillere auch den Namen „Stadt des ewigen Frühlings“. Mit ihren Seilbahnen, die in die oberen Stadtviertel führen, dem Kunstmuseum Antioquia und dem historischen Zentrum weiß Medellín seine Besucher zu verzaubern. Die Altstadt, die derzeit renoviert wird, ist tagsüber voller Leben, abends aber eher unsicher. Der Norden zeigt sich auch an der Ostkordillere von einer besonders schönen Seite, wie im 320 km von Bogotá entfernten Barichara. Träfe man dort keine Touristen, so könnte man meinen, dass sich in diesem erdfarbenen Dorf mit seinen steilen, gepflasterten Straßen seit 1705 nichts verändert hat. Dasselbe gilt für Villa de Leyva. Hier gibt es den größten quadratischen Platz des Landes zu bestaunen, der von niedrigen Gebäuden umgeben ist, sowie unzählige Kolonialhäuser mit Innenhöfen, in denen sich heute Hotels, Restaurants und Cafés befinden. Und dann – endlich – Cartagena. Diese eher karibisch als kolumbianisch anmutende Stadt am Meer setzt dieser außergewöhnlichen Reise die Krone auf. Die von Mauern umgebene Altstadt, gegründet im Jahr 1533, kommt mit niedrigen Häusern, altehrwürdigen Villen, blumengeschmückten Plätzen, Kirchen, Arkadengalerien und Boutique-Hotels daher. In der Nähe des Mejía-Theaters, im Innenhof eines ehemaligen Klosters, der nun zur Universität gehört, lädt das Grab des großen kolumbianischen Schriftstellers García Márquez zu einem Moment der Stille ein. Die Aufdringlichkeit der Straßenverkäufer kommt da etwas ungelegen … Neben den schlechten Straßen ist dies der einzige Wermutstropfen des Aufenthalts.

Entdecken
Arts et Vie, ein französischer Reiseveranstalter für Kulturreisen, bietet Reiserouten an, die hautnah am Land und seiner Bevölkerung sind. Rundreise „Kolumbianisches Eldorado“: 14T/12N. artsetvie.co
Autor und Foto: Philippe Bourget